Sonntag, 23. Mai 2010
Pembroke Castle und Foster Children
Freitag gab es noch was erwähnenswertes: Kanonengefeuer. Nicht weit von hier ist ein Truppenübungsplatz, und wenn die Truppen auf dem Platz üben hört man das auf der Farm sehr gut. Erst recht, wenn das Wetter gut ist und der Wind den Lärm in unsere Richtung trägt. Sind nur ca. 3 Meilen von hier. Man hört nicht nur das laute bummmm, sonder auch das ratatatatata von den Maschinengewehren. Doch recht furchteinflößend wie laut das ist.

Als ich Samstag aufwachte hab ich mich gefragt, was ich meinem Körper angetan habe, dass er sich so sehr beschwert. Reiten, joggen und schwimmen an einem Tag. Also Freitag fühlte ich mich gut damit. Samstag hatte ich vorallem ein fieses Ziehen in der Innenseite des Oberschenkels, sprich vom Reiten. Das hätte ich auch voraussehen können... Reiter halten ihre Beine in absolut keiner natürlichen Position. Sue sagt, wenn man ein guter Reiter werden möchte, sollte man x-beinig laufen.
Aber genug gejammert, ich hatte schließlich den ganzen Vormittag Zeit meinen Körper zu erholen. Ich setzte mich nach draußen in die Sonne, die doch sehr warm war, und las mein Buch. Ich hab mich viel ablenken lassen (von Dan, der Katze, Kindern, die zum Reiten kamen, und Megan). Megans Pferd sollte heute aus Frankreich ankommen. Es hatte Verspätung, weswegen Megan etwas beunruhigt war, aber es kam.
In der prallen Mittagssonne schwang ich mich aufs Fahrrad und fuhr nach Pembroke. Stopp, vorher passierte mir noch ein essentieller Triumph: Der Streuselkuchen schmeckte perfekt. Er war vollständig ausgekühlt und etwas durchgezogen und nun weder zu trocken noch zu süß noch zu mächtig noch irgendwas. Einfach perfekt. Ich hätte ihn verkaufen können, so perfekt. Hach.
In Pembroke angekommen rief Helena mich an: „Wir sind jetzt in Pembroke, wie lange dauert das denn noch, bis wir am Castle sind?“ Ich dachte eigentlich Pembroke Castle konnte man nicht übersehen. Es ist einfach so riesig und die Bushaltestelle ist eigentlich direkt davor. Kam mir also komisch raus. Es stellte sich heraus, dass sie bei nem Tesco stünden, nur hat Pembroke dummerweise keinen Tesco. Tesco ist in Pembroke Dock. Also sind die fünf Männekes (Helena, Miriam, Miriams Schwester und Eltern) in den falschen Bus gestiegen. Sie nahmen in Pembroke Dock einen Bus nach Pembroke und verspäteten sich um ca. ne halbe Stunde. Wir starteten direkt für Pembroke Castle. Was soll ich sagen, ein sehr sehr sehr schönes Castle. Ich steh ja auf Castles und hab schon ein paar in Irland gesehen. Blarney Castle nahe Cork ist immer noch mein Favorit, aber nun dicht gefolgt von Pembroke Castle. Es gibt eine Ausstellung und man kann fast einmal auf der Mauer drumherum laufen. Auf jeden Turm kann man über eine schmale, unebene und rutschige Treppe bis nach oben klettern und die Aussicht genießen. Man kann auch in die Steinzeithöhle, die in Zeiten der Burg als Lager diente. Man kann generell viel rumklettern und Treppen auf- oder absteigen. Treppen waren am Tag nach dem Reiten nicht so sehr meine Stärke, aber Spaß hat es trotzdem gemacht. Tolles Castle.




Hier wurde Henry VII geboren.






Blick Richtung Pembroke, Main Street.


Steinzeithöhle

Wir haben noch mit Blick aufs Castle Kaffee getrunken bevor die Meute wieder gefahren ist.
Leider hab ich die Sonneneinstrahlung im Castle unterschätzt und nun etwas rote Arme. Ich hab aber in der Apotheke ne Salbe gekauft, die nicht ganz so teuer und ganz so groß war wie After Sun.
Nach dem Essen fuhr Sue los um die Mädchen (Amy und Sophie) abzuholen, und ich fuhr mit. Die Häuser, die der Staat zahlt, stehen alle im selben Viertel. Die Probleme sind also auf einen Fleck geballt. Wie sinnvoll, ha ha. Amy kam im Schlafanzug (sie blieb über Nacht bei der Mutter) und Sophie gabelten wir im Park auf. Zurück auf der Farm wollten sie in den Pool gehen, aber social services sagt sie brauchen eine Person Ü18, die im Pool auf sie aufpasst. (Selbst Teiche müssen für Foster Children mit einem Gitter abgedeckt werden.) Sue konnte nicht, weil sie auf Callum aufpassen musste, Eric war nicht im Haus und außer mir war niemand verfügbar. Sie bettelten mich recht höflich an und ich sagte zu mich an den Pool zu setzen und zu lesen. Ich wollte nicht rein, weil meine Beine eh schon weh taten und ich ihnen eine Pause gönnen wollte. Sonntag sollte nicht so schmerzhaft verlaufen wie Samstag. Das war aber alles gut, also plantschten die beiden Teenies im Pool und ich saß nebendran und passte auf sie auf.
Nachdem Amy und Sophie dann ins Bett gingen (oder zumindest auf ihr Zimmer – wir konnten noch lange danach Geräusche hören) hab ich mich mit Sue über das Fostern unterhalten. Sue und Eric hatten bestimmt schon 30 Foster Children. Antony, das erste Foster Kind und nun Ende 30, kommt ab und an zum Stall. Das neue Fohlen ist seines. Freitag Abend war er hier und betrunken (Sue sagte uns wir sollten die Tür zum Pool abschließen, damit Antony uns nicht unerwünscht besuchen kommt), er verschwand zum Pub, trank noch mehr, erschien wieder auf der Farm und war noch mehr betrunken. Nun konnte er gar nicht mehr reden oder stehen.
Nicht nur Antony hat Freitag Nacht Mist gebaut. Auch Ruby war aus: Sie fuhr nachdem wir joggen waren mit einem alten Freund und deren Freundin weg, angeblich nur für ne Stunde, aber sie sagte nach Swansea. Von da aus rief sie an und sagte es wird spät. Ruby musste Samstag arbeiten. In Swansea wollten sie ins Kino in einen Film, der erst um 23:45 anfing. Von Swansea aus fuhren sie nach London, machten Fotos in Soho um es zu beweisen und Ruby kam 10 Minuten nach eigentlichem Arbeitsbeginn auf den Hof und rannte zum Stall. Sue sagt sie müsse auf Pillen sein oder irgendwas genommen haben, sonst hätte sie nicht die ganze Nacht durchgemacht, gearbeitet und wäre dann Samstag Abend wieder weg.
Ich blieb Samstag lange wach und schaute mit Callum und Sue und später Eric fern. Sie hatten schon Foster Children, die alles zerstört haben (Auto, Radios, Küche, etc.), ein Mädchen mit Baby, die abgehauen ist und ihr Baby dagelassen hat und tausende von Alkoholproblemen. Also alle haben ein Problem mit Alkohol. Meistens kommen die Kinder aus Familien, wo Alkohol Leben zerstört hat. Deswegen trinken Sue und Eric auch nicht. Sie haben mich gefragt, ob ich ihrem Anti-Alcohol-Club beitreten möchte, aber das konnte ich dann doch nicht.
Sophie und Amy sollen eigentlich 3 Monate bei Sue bleiben und dann eigentlich zurück zur Mutter. Aber man versucht die Mutter gerade auszutricksen und sie vor Gericht zu bringen. Dann kommen die Kinder wohl gar nicht mehr zu ihr zurück. Wir finden, da muss jemand zur Mutter hin statt die Kinder rauszunehmen. Man muss ihr beibringen wie man mit Geld umgeht, wie man kocht, wie man Geld mit Kochen sparen (statt Pizza und Fish'n'Chips vom Shop um die Ecke) und dass man ohne Gewalt und Alkohol leben kann. Es passiert zu wenig für diese Foster Children. Außerdem frag ich mich, wieso man die Kinder erst so spät aus der Familie rausgenommen hat. Nun sind sie 13 und 14, gehen schon seit ca. 2 Jahren nicht mehr zur Schule, sind für nix zu begeistern und kennen keine Regeln. Ist doch viel zu spät. Die Familie war schon seit dem ersten Kind bekannt, und Amy ist definitiv nicht das erste Kind. Die jüngeren Kinder sind auch weg, aber sie sollen nächste Woche tagsüber wieder zurück, und wenn das für eine Woche gut geht kommen sie ganz zurück. Eine Woche! Eine Woche Probezeit für ein ganzes restliches Leben! Man versucht die Mutter so vor Gericht zu bringen, aber man trägt es auf dem Rücken der Kinder aus. Die Kinder sind das Mittel. Kann das richtig sein?!?
Außerdem, was ist der Punkt, wenn man die Kinder aus der Familie rausnimmt, aber sie trotzdem ständig zur Mutter gehen und tagsüber genauso weitermachen, wie vorher auch? Sie mögen zwar relativ geschützt vor Alkoholproblemen und Schlägen sein (passiert eher abends/nachts) und wandern auch nicht im Dunkeln irgendwo durch die Straßen, haben genug zu essen, haben ständig Elektrizität und können duschen, aber ihr Verhalten ändert sich dadurch nicht. Deswegen gehen sie nicht zur Schule, deswegen werden sie nicht erst später schwanger, deswegen werden sie sich nicht von Drogen fernhalten. Tut mir ja leid, aber so sieht ihre Zukunft aus. Traurig ist das. Man müsste drastischer werden, aber das wird auch teuer. Die Kinder kosten so schon 250 Pounds pro Woche nur für Unterkunft. Dazu kommt noch Spritgeld, Kleidungsgeld, social worker fürs Kind, social worker für die Foster Familie, Spesen für Ausflüge usw. Die Liste ist endlos. Aber trotzdem sollte mindestens Sophoe ins Foster Plus Programm, wo sie zu einem geregelten Tagesablauf gezwungen wird und Sachen mit ihr unternommen werden, so dass sie immer was zu tun haben. Ist ein bisschen wie Gefängnis, nur schöner würd ich sagen, weil man die Möglichkeit bekommen so viele tolle Sachen auszuprobieren. Nur schade, dass die Kinder das so nicht sehen. Das ist Stress zu einer bestimmten Uhrzeit aufstehen zu müssen etc. Aber wie beendet man diesen Teufelskreis von mehr und mehr unerzogenen und ungebildeten Kindern, wenn man den Kids nicht beibringt, wofür es sich lohnt jeden Tag aufzustehen?

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